top of page
pears-gbb66abebe_1920.jpg

Veröffentlichungen

Hier finden sich alle veröffentlichen Artikel und Links

Vertrocknet hält länger

Dörren macht Nahrungsmittel haltbarer

Das Konservieren von Lebensmitteln ist seit Jahrtausenden ein entscheidender Faktor für das Überleben vieler Menschen. Jahreszeitliche Schwankungen beeinflussen alle Bereiche der Natur und damit auch uns. Auch wenn wir diese Abhängigkeit in unserer Welt leicht aus den Augen verlieren, spielt sie immer noch eine entscheidende Rolle in unserem Alltag. Natürlich können wir in unserer globalisierten Welt nahezu jede Frucht jederzeit kaufen und essen. Aber dass die Äpfel im Winter nicht von heimischen Bäumen stammen, sollte jedem schon einmal durch den Kopf gegangen sein. Sie kommen mit dem Schiff von der anderen Seite der Welt. Die Krisen der letzten Jahre, insbesondere die Situation in der Ukraine, zeigen uns auf unverblümte Weise, dass diese Vernetzung auch eine Gefahr darstellen kann. Energie sowie Lebensmittel sind selbst für ein hochindustrialisiertes Land wie Deutschland nicht selbstverständlich. Zu Zeiten unserer Groß- und Urgroßeltern waren solche Verflechtungen noch nicht so ausgeprägt. Sie planten ihren Haushalt noch ganzjährig und eigenständig. Ernten, säen und konservieren war die Prämisse. Oft ganz ohne Strom.

„Als Sauerländerin in Ostwestfalen lese ich die WOLL regelmäßig. Mit großem Interesse habe ich dort letzten Herbst einen Artikel über alte Methoden der Lebensmittelkonservierung von Julius Bette gelesen. Das hat mich dazu animiert, über meine eigenen Erfahrungen zu berichten. Alljährlich im Herbst sammle ich meinen winterlichen Vorrat an Äpfeln von den verschiedenen Apfelbaum-Vorkommen der Stadt. Es gibt ergiebige Streuobstwiesen in den Ortschaften und eine Wiese, angrenzend an unseren Busbahnhof, mitten in der Stadt. Als Dorfkind kann ich daran nicht einfach vorbeilaufen. Um die Äpfel haltbar zu machen, kam ich auf die Idee, sie zu dörren. Das hatte ich vorher noch nie ausprobiert. In einem Ratgeber zu Nachhaltigkeit und Selbermachen für Garten und Balkon habe ich zuvor darüber gelesen. Ein Backofen reichte für meine Idee. Da ich bereits Joghurt im Backofen zubereitet hatte und dadurch mit den Temperaturbedingungen vertraut war, müsste es doch auch mit den Äpfeln klappen, überlegte ich. Ich wusste, dass der Ofen eine Temperatur von 40 Grad hat, wenn er nur so eben eingeschaltet ist und das Anzeigelämpchen brennt. Dies über einige Stunden zu halten, bei geöffneter bzw. angelehnter Tür, müsste gehen. Also habe ich die Äpfel geschält und in dünne Scheiben geschnitten. Die Anschaffung eines Apfelentkerners kam mir später zu Hilfe. Ich legte einen neben den anderen auf das Backpapier. Mit der Dörrdauer tastete ich mich voran. Ich wusste nicht genau, wie trocken sie sein müssen. Um auf Nummer sicher zu gehen, habe ich die Apfelschnitze möglichst lange im Ofen gelassen, bis zu vier Stunden.“ Diese gedörrten Apfelringe haben sich allerdings, entgegen allen Erwartungen, nicht sehr lange gehalten, wie mir Christel berichtete. Sie waren einfach zu lecker. Noch bevor sie ihr wahres Potenzial als Weihnachtssnack entfalten konnten, waren sie schon alle verputzt.

Bis Weihnachten hätten sie es sicherlich geschafft, denn das Dörren ist wohl eine der ältesten Konservierungsmethoden überhaupt. Und das nicht ohne Grund. Schon vor 5.000 Jahren waren getrocknete Datteln in Mesopotamien ein beliebter Snack. Beim Dörren gehen, z.B. im Gegensatz zum Einkochen, weder Vitamine noch Proteine verloren. Außerdem verliert die Nahrung so an Gewicht. Diese Kombination machte Gedörrtes zum wohl beliebtesten Reisesnack der menschlichen Geschichte. Doch was macht das Dörren überhaupt so effektiv? „Wasser ist Leben.“ Diesem Spruch ist wohl jeder schon mal, allerspätestens im Biologieunterricht, begegnet. Und genau dieses Prinzip macht sich das Dörren zunutze. Beim Dörren wird dem zu konservierenden Nahrungsmittel nahezu vollständig das Wasser entzogen. Von den ursprünglich 85 % Wassergehalt des Apfels bleiben nach einer ausreichenden Trocknung oft weniger als 10 % übrig. Mikroorganismen brauchen, genau wie alle anderen Lebewesen, eben auch etwas Wasser. Bakterien erreichen ihr Limit bei ca. 40 % Wassergehalt in ihrer Nahrung. Manche Pilze schaffen es sogar, bei 15 % Wassergehalt zu überleben. Aber wenn der Wassergehalt unter 10 % liegt und dort auch bleibt, ist das Gedörrte ein bis zwei Jahre haltbar. Dörren lassen sich übrigens nicht nur Früchte. Auch Pilze, Gemüse und Fleisch lassen sich mit dieser simplen, aber effektiven Methode konservieren, und das ganz ohne Kühltruhe. Bei der Lagerung sollte man allerdings darauf achten, dass die jetzt so trockenen Lebensmittel auch in einer trockenen Umgebung bleiben. Dazu kann man sie in luftdichte Behälter packen oder einfach an einem besonders trockenen Ort lagern. Denn genauso einfach, wie das Wasser entzogen wird, kehrt es auch zurück.

Also, ein fröhliches Dörren und bis zum nächsten Mal.

​

https://woll-magazin.de/vertrocknet-haelt-laenger/

apple-rings-g672d553b0_1920.jpg
pickles-g96bbcbce1_1920.jpg

Das Leben vor dem Kühlschrank

Was Omma und Oppa noch wussten

Zuhause angekommen und die Sahne vergessen? Noch mal eben schnell ins Auto und zum Supermarkt um die Ecke, dann ist es doch erledigt. „Aber es regnet schon wieder und ich habe gerade erst die Schuhe ausgezogen.“ Diese Situation kennt wohl so mancher von uns. Hier könnte man sich fragen, was die Oma wohl dazu sagen würde. Wahrscheinlich würde sie ihren Vortrag mit den Worten: „Also damals …“ anfangen. Ich möchte hier dazu aufrufen, nicht nach den ersten beiden Wörtern auf Durchzug zu schalten, denn was sie zu erzählen hat, könnte noch wertvoll für uns sein.

Thea Schulte (76) aus Kirchilpe ist eine dieser Sauerländer Ommas, die einige solche Vorträge halten könnte. Sie bewirtschaftet heute noch ihren Bauerngarten. Das Einlegen, Dörren und Kochen der geernteten Erzeugnisse zählt selbstverständlich dazu. In einem Gespräch, quasi über den Gartenzaun, hat sie uns ein paar ihrer Tricks vertraten. Früher waren diese besonders im Winter wertvoll. Nicht nur unsere Essgewohnheiten haben sich in den letzten 50 Jahren verändert, auch manch andere Dinge.

Anzeige

 

Hört man Thea Schulte zu, wird schnell klar, dass die meisten dieser Veränderungen auf die eine oder andere Weise zusammenhängen. In den 60er und 70er Jahren hat sich ihre Familie noch nahezu vollständig selbst versorgt. Der Haushalt war damals deutlich größer. Wenn man ein Dutzend hungriger Leute zu versorgen hatte, brauchte man immer größere Mengen an Nahrungsmitteln. So waren manche Tätigkeiten, die uns heute in unseren kleinen Haushalten viel zu aufwendig erscheinen, deutlich lohnenswerter. Das Konservieren von Lebensmitteln ist eine davon. Im kühlen Keller lagerte damals allerlei Obst und Gemüse. Eingekochte und eingelegte Obsterzeugnisse säumten die Lagerregale. Im Räucherschrank hing Gesalzenes und Gepökeltes im Buchenrauch. Und an einer kühlen schattigen Stelle im Garten warteten einige eingeschlagene Kohlköpfe auf ihren Einsatz in der Küche. Der Keller eignet sich, laut Oma Thea, heute nicht mehr für die Einlagerung. Wie unsere Winter, so ist auch dieser durch das Heizen mit fossilen Brennstoffen zu warm dafür geworden.

„Schneller, einfacher, günstiger.“
Die ständige Verfügbarkeit von Energie und hilfreicher Technologie lässt uns den Wert vieler alter und bewährter Methoden vergessen. Nahrungsmittel werden in unserem Leben immer mehr zur Nebensache. Während über 60-Jährige noch fast eine Stunde für das Kochen „verschwenden“, ist es bei den 15- bis 29-Jährigen nur noch eine halbe Stunde. Das sagen großangelegte Befragungen. „Schneller, einfacher, günstiger“ ist die Devise. Vielleicht sollten wir hin und wieder innehalten und den Berichten der älteren Generation lauschen, um wieder eine andere Perspektive auf unser Essen zu gewinnen. Wenn alles nur einen Griff zum Kühlregal entfernt ist, verliert man schnell den Wert eines Lebensmittels und die damit verbundene Erfahrung und Arbeit aus den Augen. Ein klassisches Wintergericht war früher zum Beispiel „Fitzebohnen mit eingekochten Rippchen“. Die Fitzebohnen hatte Thea mit ihrer Familie auf alte Weise konserviert und so konnten sie sich im kühlen Keller den ganzen Winter über halten.

Wir suchen Ihre Tricks!
Interessant ist, dass die beschriebene Konservierungs-Technik schon durchgeführt wurde, bevor man überhaupt ansatzweise verstand, wie sie funktioniert. Als Louis Pasteur 1864 den Zusammenhang von Verderbnis und Mikroorganismen entdeckte, nutzten die Menschen dieses Verfahren schon seit Jahrhunderten. So wie Thea Schulte kennen sicherlich auch noch andere WOLLLeserinnen und -Leser solche Tricks. Ich interessiere mich sehr für diese Kniffe und würde mich über ein paar weitere Konservierungsmethoden freuen. Also, wenn Sie noch eine auf Lager haben oder Oma auch immer noch gerne Vorträge dieser Art hält, würde ich gerne ein bisschen was davon aufschnappen. Briefe oder E-Mails mit weiteren Verfahren und Rezepten können Sie an folgende Adresse senden:
WOLL-Magazin – Redaktion
Kückelheim 11, 57392 Schmallenberg
redaktion@woll-magazin.de • Tel. 0 29 71 – 87 0 87

Fitzebohnen, oder Salz- bzw. Schneidebohnen, sind eine in Nord-, Ost- und Westdeutschland bekannte Speise, die auch heute noch eine recht große Beliebtheit genießt. Zur Herstellung wird die Gartenbohne (Phaseolus vulgaris) verwendet. Die Bohnen wurden nach der Ernte gewaschen und die Enden, Fäden und Stiele entfernt. Anschließend schnitt man sie in mundgerechte Stücke. Am besten setzte man die Schnitte gewinkelt, damit man möglichst lange Scheiben erhielt (fitzeln). Die so geschnittenen Bohnen wurden kurz blanchiert und dann schichtweise abwechselnd mit Salz in einen Steintopf gegeben. War der Topf voll, wurde er mit einem sauberen Tuch und einem Holzdeckel verschlossen. Schließlich wurde der Holzdeckel mit einem Stein beschwert. Nach einigen Wochen und mehrmaligem Auswechseln und Säubern des Tuches sind die Fitzebohnen dann bereit, gekocht und serviert zu werden.

Der hier für die Konservierung verantwortliche Prozess wird als Milchsäuregärung bezeichnet und ist wahrscheinlich schon seit der Jungsteinzeit bekannt. Eine Gärung findet immer nur unter Ausschluss von Sauerstoff statt. Die für den Prozess verantwortlichen Milchsäurebakterien kommen, wie viele andere Bakterien, natürlich auf den Bohnen vor. Milchsäurebakterien ertragen eine deutlich saurere Umgebung als die meisten anderen Organismen, die das Lebensmittel verderben lassen können. Das Salz bewirkt eine deutlich verminderte Aufnahme von Sauerstoff der Flüssigkeit innerhalb des Steintopfes. So bildet sich in dem Topf eine optimale Umgebung für die Gärung. Bei der Gärung verstoffwechseln die Milchsäurebakterien Kohlenhydrate aus den Bohnen und bilden dabei Milchsäure. In kurzer Zeit sinkt so der pH-Wert auf ca. 4,0 – 4,5 und damit ist er für die meisten Mikroorganismen tödlich. Den gleichen Effekt nutzt man auch bei der Herstellung von Sauerkraut oder Salzgurken.

bottom of page